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Digital ist besser

Für die letzten paar Monate hatte ich mir von meinem Arbeitskollegen Max eine alte Analogkamera ausgeliehen, und zwar eine Yashica Electro 35. Das „Electro“ steht dafür, dass man lieber mit einer Gabel eine Steckdose erkunden würde als 36 Fotos mit dieser Kamera zu machen. (Kleiner Scherz!)

Die Benutzung der Kamera ist ganz einfach™: Man macht ein Foto, dann zieht man mit dem Daumen an einem soliden Hebel, um den Film zum nächsten Foto zu spulen.

Es war dennoch ein stetiger Kampf, den Film zu füllen. Wenn ich irgendwo hingehe, würde ich eigentlich immer lieber meine (digitale) Fujifilm X-T4 mitnehmen, um mehr Optionen zu haben. (Zum Beispiel die Option, meine Fotos zu sehen, oder für 0€ das gleiche Foto mehrfach zu probieren.)

Aber ich hatte die Electro ja nur zur Leihgabe und wollte Max’ Geduld nicht überstrapazieren, also zwang ich mich, immer mal wieder mit ihr das Haus zu verlassen und sie zu benutzen. Vor ein paar Tagen war es endlich so weit: Das Zählrad war bei 36 angekommen, ich machte noch ein letztes Foto als Zugabe und klappte dann die kleine Handkurbel aus, um den Film zurückzuspulen.

Hm! Geht erstaunlich leicht! Hmmmmm! Vielleicht sogar so leicht, dass man das Gefühl haben könnte, dass überhaupt nichts passiert. Vielleicht mache ich irgendwas falsch? Ich googelte nach der Bedienungsanleitung, die hilfreich sagte: „Einfach zurückspulen!“ Also googelte ich danach, dass sich Zurückspulen komisch anfühlt und fand mehrere Leute, die das gleiche Problem hatten, und bei denen die Antwort war, dass sie mit dem soliden Hebel den Film aus der Patrone gerissen haben, als sie über das 36te Foto hinausgeschossen (haha!) sind.

Cool! So eine Kacke!

Aber immerhin habe ich das Glück, in Berlin zu wohnen und lief also einfach zu einem Fotoladen, der noch selbst entwickelt, und fragte, ob sie den Film in ihrer Dunkelkammer aus der Kamera retten können. Der supernette Dude hinterm Tresen ging auch sofort los, kam nach zwei Minuten wieder und sagte „Plot Twist: Der Film ist komplett in der Patrone!“

Wir haben uns kurz beraten und die von mir akzeptierte Theorie ist, dass ich den Film nicht korrekt eingelegt habe, 36 Belichtungen auf die gleiche Stelle Film gemacht habe, dann die ~5cm zurückgespult habe und in seinen Laden gekommen bin. Die ganzen Monate Arbeit (naja, „Arbeit“) waren also umsonst!

Cool!!! So eine Kacke!!!

Am nächsten Tag habe ich Max die Kamera zurückgebracht und er hat mir gesagt, dass er mir leider nicht erklärt hatte, dass man den Film etwas besonders einlegen muss. Bei meiner analogen Canon T-70 muss man den Film nur ungefähr auf das richtige Zahnrad legen und die Kamera erledigt den Rest, aber bei der Electro muss man die Kamera andersrum um den ganzen Mechanismus wickeln, weil sie andersrum spult. Hinterher ist man offenbar immer schlauer!

Immerhin hat Max jetzt seine Kamera wieder und ich nicht mehr den Druck, sie zu verwenden. Im Gegenteil, seitdem macht auch die X-T4 wieder mehr Spaß. Gestern habe ich ein altes Canon 50mm f1,8 Objektiv draufgeschraubt, das ich von meinen Großeltern geschenkt bekommen habe, habe die funky Filmsimulation „Pacific Blues“ von Fuji X Weekly eingestellt und bin in den Park gegangen.

Mit dem Objektiv muss man trotzdem von Hand fokussieren und gemeinsam mit der Kamera überlegen, welche Blende wohl angebracht ist. (Das ist natürlich Quatsch, in 95% aller Fälle richte ich mich nach dem bekannten Merksatz „Mit Blende 1,8 / hat noch niemand was falsch gemacht.“) Dadurch kann zumindest ich persönlich einen Großteil des Analog-Gefühls für mich simulieren.

Das alte Objektiv bringt eine schöne verträumte Unschärfe, die Filmsimulation gibt angenehme dunkle Grüntöne, sogar eine Biene ließ sich auf eine Begegnung ein, mehr kann ich mir von einem Nachmittagsspaziergang eigentlich nicht erhoffen. Es ist natürlich komplett seelenlos und geradezu verwerflich, aber vielleicht benutze ich dieses fake-analoge Setup jetzt öfter, ich finde die Ergebnisse wirklich nicht schlecht.

Nudeln mit Ei

Kein Gericht fühlt sich für mich so nostalgisch an wie Nudeln mit Ei. Nudeln mit Ei sind – anders als der Name vermuten lässt – nicht einfach beliebige Nudeln mit ein bisschen Ei.

Für echte™ Nudeln mit Ei braucht man ganz bestimmte Nudeln: Radiatore/Sputniks (am besten von 3 Glocken). Diese werden (selbstverständlich) gekocht und abgegossen, dann werden sie zusammen mit gewürfelter Fleischwurst und ein paar verrührten Eiern sowie Salz und Pfeffer zurück in den Topf geworfen, bevor das ganze bei niedriger Temperatur noch etwas auf dem Herd stehengelassen wird. Ab und zu Umrühren nicht vergessen. (Eine unzerstörbare Schicht Ei auf dem Boden des Topfes ist unvermeidbar, was will man machen.) Wenn man sich zu 95% sicher ist, dass das Ei fest ist, macht man eine Portion auf einen Teller, bedeckt sie mit Ketchup und Käse (Parmesan, Gouda, bei uns Zuhause gerne beides) und genießt ein Wohlfühlessen, das alle anderen Wohlfühlessen wie Zwieback mit Reißzweckenmarmelade aussehen lässt.

Soweit ich mich zurückerinnern kann, waren Nudeln mit Ei ein gerngesehener Gast im Hause Diekmeier. Als Kind war es immer eines meiner Lieblingsessen. Wenn es gekocht wurde, dann immer von meinem Vater. (Mein Vater ist Küchenchef! Das spielt keine Rolle, aber es ist etwas amüsant, dass mein Lieblingsessen von ihm ausgerechnet das einfachste Essen der Welt ist.) Er hatte das Gericht von seiner Oma geerbt, zusammen mit einem riesigen, alten, emaillierten Topf, dem offiziellen Nudeln mit Ei-Topf™.

Sidebar: Von meiner Urgroßmutter kam, wenn ich mich nicht täusche, nicht nur das Rezept für Nudeln mit Ei in unsere Familie, sondern auch, ironischerweise, das Konzept der „Eierkrankheit“. Die Eierkrankheit ist eine nicht näher definierte, symptomlose Krankheit, die man bekommen würde, wenn man zu viele Eier äße. „Jeder nur ein Frühstücksei, sonst bekommt ihr die Eierkrankheit!“ war ein regelmäßiger Satz meiner Eltern. Soweit ich weiß, hat es leider niemand von uns geschafft, jemals die Eierkrankheit zu bekommen. Tut mir Leid, ich mache die Anekdoten nicht, ich berichte nur.

Zur Sache: Als ich fünf Jahre alt war, hat mich meine Tante einmal vom Kindergarten abgeholt, mich nach Hause gebracht und mir Mittagessen gemacht. Sie hat mich gefragt, was ich essen möchte, und ich, dem die Macht direkt zu Kopf gestiegen war, sagte: „Nudeln mit Ei!“

Sie kochte daraufhin genau das, was ich auch kochen würde, wenn mir ein Kind zwei Zutaten an den Kopf werfen und dann Lego spielen gehen würde: Die beiden Zutaten. Es gab Spaghetti, angebraten mit Ei. (Keine Fleischwurst! Keine Radiatore! Ketchup und Käse? Fehlanzeige! Alles falsch, was man falschmachen kann!)

Ich weiß nicht mehr, wie ich reagiert habe, aber ich kann es erahnen: Viele (für meine Familienmitglieder amüsante) Anekdoten über mich als Kind bestehen daraus, dass ich höflich, aber klugscheißerig und ein bisschen trottelig war.

Es gab wohl einmal die Situation, dass meine Großeltern auf mich und meine beiden jüngeren Geschwister aufgepasst haben, während meine Eltern etwas anderes unternommen haben. Mein jüngstes Geschwister verbrachte den ganzen Nachmittag damit, zu weinen, während meine Großeltern alles versuchten, dem Lärm und den Tränen Einhalt zu gebieten. Abends kamen meine Eltern wieder nach Hause. Meine Großeltern überreichten das weinende Baby und berichteten von dem anstrengenden Nachmittag und dass sie einfach nichts finden konnten, das gegen das Weinen half. Diesen Moment habe ich der Legende zufolge genutzt, um zu sagen: „Hä? Ihr hättet doch einfach eine Flasche mit Milch geben müssen! Das klappt immer!“ Auf die Frage, warum ich das nicht ein paar Stunden früher gesagt hatte, antwortete ich, der Überlieferung nach, dass mich niemand gefragt hatte. Wie gesagt: Höflich, klugscheißerig, ein bisschen trottelig. Quasi wie heute!

Ich gehe davon aus, dass ich diese Feinfühligkeit auch benutzt habe, um meiner Tante den Irrtum zu erklären. Vermutlich sagte ich sowas wie „DAS sind doch keine Nudeln mit Ei!“ – also eine haarsträubend frustrierende Aussage von einem Fünfjährigen, für den man gerade wortwörtlich Nudeln mit Ei zubereitet hat.

Irgendwie müssen wir uns dann darauf geeinigt haben, dass es zwar nicht Nudeln mit Ei sind, aber, wenn man es großzügig betrachtet, vielleicht schon irgendwie sozusagen Nudeln als irgendwie auch Ei, denn ich weiß auf jeden Fall noch, dass ich es dann gegessen habe. Ansonsten wäre mir die Absurdität der Lage bestimmt nicht jahrzehntelang im Sinn geblieben.

Später kam noch eine Frau namens Natalie, die zu der Zeit meine Babysitterin war, um meine Tante abzulösen. Soweit ich weiß, kannten sich meine Tante und Natalie gar nicht, aber ich erinnere mich, wie meine Tante sie fragte, was zur Hölle echte Nudeln mit Ei sind. Meine Tante ging, Natalie und ich hatten vermutlich einen schönen Nachmittag, aber meine Erinnerung endet hier.

Manchmal denke ich daran, dass ich als Kind einfach alles mitgemacht habe, was um mich herum passiert ist. Als Kind hat man kein Konzept davon, was normal ist und was nicht, darum ist alles sowohl verblüffend als auch … akzeptabel.

Fünfundzwanzig Jahre später wurde mir nämlich bewusst: Das Seltsame an dieser Erinnerung ist nicht der missglückte Versuch, ein Gericht namens Nudeln mit Ei zu improvisieren, sondern … alles andere. Warum hatte mich die Frau des Bruders meiner Mutter vom Kindergarten abgeholt? Das ist davor kein einziges Mal passiert und auch nie mehr danach! Warum waren wir anschließend alleine bei mir Zuhause? Wo waren meine Eltern und mein Bruder, oder wenigstens mein Onkel selbst, als ich verwirrt Spaghetti in mich hineinschaufelte? Warum kam später noch Natalie und meine Tante fuhr weg?

Anfang letzten Jahres hatte mein Vater einen schweren Autounfall und war für viele Wochen im Krankenhaus. (Entwarnung: Es geht ihm inzwischen wieder gut!) Als es soweit passte, fuhr ich in den Schwarzwald zu meiner Mutter, einfach um da zu sein, aber auch um meinen Vater im Krankenhaus zu besuchen. (Unnötig zu erwähnen, aber Nudeln mit Ei gab es den Besuch über nicht.) Die meisten meiner Geschwister waren gleichzeitig da, und an einem der Abende saßen wir noch lange im Wohnzimmer zusammen und haben alte und neue Geschichten ausgetauscht.

Ich weiß nicht warum, aber die Sache mit meiner Tante und den missglückten Nudeln mit Ei fiel mir wieder ein, und ich erzählte die Geschichte und fragte meine Mutter: Was war passiert, dass mich ausgerechnet die Frau ihres Bruders vom Kindergarten abgeholt hatte.

Meine Mutter überlegte kurz, dann fiel es ihr ein: Es war die einzige Person, die mein Vater spontan vom Krankenhaustelefon aus erreichen konnte, während meine Mutter zur Entbindung im Kreißsaal lag.

Kinder, Erinnerungen und selektive Wahrnehmung sind so faszinierend. Während meine Eltern ihr drittes Kind ins Leben begrüßten, saß ich Zuhause und aß die schlechteste Portion Nudeln mit Ei meines Lebens. Aber so werde ich für immer wissen, wo ich am 4. Oktober 1998 war, und das ist auch nicht schlecht. Was für ein Glück, dass dieses Kind das Licht der Welt erblickt hat, denn sonst hätte ich nie zu meinen Großeltern sagen können: Mich hat ja niemand gefragt.

Zehn Jahre Lesetagebuch

Heute, am 20. Januar 2023, wird das Lesetagebuch zehn Jahre alt. Zeit für einen Blick zurück und ein bisschen Reflexion – man wird ja nur einmal zehn.

Vor zehn Jahren war ich über Weihnachten und Neujahr bei meinen Eltern, die damals noch furchtbares Dorfinternet hatten.

Da alle digitalen Beschäftigungen dadurch schwierig bis unmöglich gemacht wurden, las ich stattdessen Bücher. Dann kam mir der Gedanke, dass ich nicht einfach so ein Buch lesen kann, sondern direkt eine persönliche Challenge daraus machen sollte: 2013 würde ich 52 Bücher lesen! Tolle Idee!

Natürlich musste ich sofort mit dem Lesen aufhören und eine kleine Webseite bauen, auf der ich auflisten kann, welche Bücher ich gelesen hatte. Diese Webseite ist lange verloren, aber sie bestand (soweit ich mich erinnern kann) lediglich aus ein bisschen statischem HTML und CSS.

Ich teilte die Seite auf Twitter (ja, das ist so lange her, damals gab es noch „Twitter“) und bekam überwältigend positives Feedback. Nicht nur das: Mehrere Leute fragten, ob sie auch diese Seite benutzen könnten.

Puh. Konnten sie leider nicht, es war ja nur eine statische HTML-Seite.

Max sagte dann, ich sollte eine Webapp daraus machen! Mit Python! Zu dem Zeitpunkt war ich noch kein „richtiger“ Programmierer und hatte noch nie etwas mit Python gemacht, aber ich installierte optimistisch Flask und folgte dem Tutorial.

(Von Max kam außerdem die Idee, die Webseite „Lesetagebuch“ zu nennen, damit das URL-Schema „lesetagebu.ch/von/danjel“ sein kann. So gut!)

Am 20. Januar war es dann soweit: Ich stellte die erste Alpha-Version ins Internet und kündigte sie auf Twitter an:

Tweet von @Lesetagebuch: „Wir sind ein bisschen live! lesetagebu.ch“

Ich kann mich nicht erinnern, wie die Seite damals aussah, aber auf jeden Fall wurde das Cover jedes Buchs angezeigt. Darum war sie nur für knapp 5 Tage online, bevor ich von Michel gewarnt wurde, dass ich aus rechtlichen Gründen nicht einfach Buchcover hochladen und anzeigen sollte.

Daraufhin baute ich neue Profilseiten, die viel mit Typografie gearbeitet haben (Manche würden sagen: Zu viel. Andere würden sagen: Eine riesige Ultralight-Schriftart ist noch nicht Typografie.), und konnte dadurch den Fuß, mit dem ich bereits im Gefängnis stand, zurück an die Freiheit bringen.

Seitdem hat sich viel verändert. Hier eine Sammlung von Designs und Redesigns der letzten zehn Jahre:

Und hier der aktuelle Stand, am 20. Januar 2023:

Das Lesetagebuch ist winzig, aber es ist ein voller Erfolg. Ich habe durch diese kleine Leseplattform mehr gelernt, als ich es jemals für möglich gehalten hätte: Neue Programmiersprachen, Datenbanken, Server, E-Mails, you name it. Es war und ist eine perfekte Spielwiese, um neue Sachen auszuprobieren.

Dem Lesetagebuch habe ich zu verdanken, dass ich Softwareentwickler geworden bin. Als ich angefangen habe, es zu entwickeln, war ich noch drauf und dran, Designer zu werden (Imagine!). Aber der Spaß am Entwickeln einer umfangreichen Plattform hat mir gezeigt, dass da ein besserer Fokus für mich liegt. Gleichzeitig hatte ich dadurch ein Projekt, das ich super bei Vorstellungsgesprächen zeigen konnte: „Hier ist eine Plattform, die ich alleine gebaut habe. Das ist, was ich kann. Bitte geben Sie mir Geld!“ (Ich bin sehr gut in Bewerbungsgesprächen!)

Ich bin stolz auf das, was ich da gebaut habe. Ich bin froh, dass Leute es benutzen und darüber reden und sich freuen, nicht GoodReads benutzen zu müssen. Ich bin dankbar für die Leute, die das Lesetagebuch auf Patreon unterstützen. Und besonders dankbar bin ich für Clara, die mir heute morgen eine Glückwunschkarte für zehn Jahre Lesetagebuch überreicht hat. Einfach die besten Fans der Welt!

Diese Karte ist eigentlich für mich, aber sie ist auch für euch!

Die letzten zehn Jahre waren – das ist möglicherweise kontrovers – teilweise etwas komisch. Aber Bücher, Lesen und kleine Webseiten finde ich immer noch gut. Ich hoffe, dass es in den nächsten zehn Jahren weiterhin viel Gelegenheit dafür geben wird. 💛

Cambio

Letztes Jahr hat mir Clara ein neues Kartenspiel beigebracht, das sie wiederum von Eva gelernt hatte, die es wiederum von Lea gelernt hatte: Cambio. ich hatte vorher noch nie davon gehört, aber es macht sehr viel Spaß und wir haben es seitdem schon viele Male gespielt.

Für das Spiel braucht man ein gewöhnliches Poker-Set. Bis die Regeln nach viel stiller Post bei uns angekommen waren, hatten sich bereits ein paar Hausregeln eingeschlichen, aber wir spielen ungefähr nach diesen Regeln.

Als sich im September andeutete, dass demnächst wieder Weihnachten vor der Tür stehen würde, kam mir die Idee: Was, wenn ich ein eigenes Kartenspiel gestalte, das ich dann in meinem cambiospielenden Freundeskreis verschenken kann? Wie schwer kann das schon sein?

Ein Kartenspiel zu gestalten ist ziemlich schwer

Das erste Problem war, die notwendigen Figuren zu zeichnen. Ein Pokerspiel enthält 15 Bildkarten: jeweils vier Buben, Damen und Könige, plus drei Joker. Ich habe die Figuren alle am iPad gezeichnet, in Procreate, und das dauerte ewig.

Procreate hat eine Funktion für Punktspiegelung – eigentlich nice, denn klassischerweise sind viele Pokerkarten ja punktgespiegelt. Leider ist die Funktion überhaupt nicht flexibel und ich konnte sie dadurch nicht so gut gebrauchen wie ursprünglich gehofft. Aber besser als nichts!

Ansonsten hatte ich noch einige Probleme damit, meine Freunde ausreichend naturgetreu abzubilden, aber da kann ich nun wirklich niemandem etwas vorwerfen außer mir selbst.

Das nächste Problem war das Layout.

Ich probierte, eine Karte in Pixelmator Pro zu designen, und obwohl das grundsätzlich funktionierte, hat es mich direkt von der Vorstellung abgebracht, dass das eine gute Idee sein könnte. Es dauerte ewig, alles richtig zu positionieren. Für die erste Karte, eine Karo 10, brauchte ich ungefähr eine Stunde.

Ja, hier sind noch ein paar zusätzliche Ebenen aktiviert, aber ihr versteht schon.

Aber noch schlimmer: Ich würde innerhalb des Prozesses natürlich gerne ein paar unterschiedliche Varianten ausprobieren: Verschiedene Varianten der Symbolgrafiken, unterschiedliche Positionierungen und Größen der Symbole, unterschiedliche Schriftarten, unterschiedliche Farben … die Vorstellung, jedes Mal einen großen Haufen Pixelmator-Ebenen manuell aktualisieren zu müssen, wenn ich meine Meinung ändere, ließ mir direkt Angst- und Anstrengungsschweiß ausbrechen.

Wie so oft fiel mir dann ein, dass ich zum Glück Programmierer bin, und ich schrieb ein Script, das mir die Karten generieren kann. Innerhalb des Scripts kann ich verschiedene Parameter setzen:

  • Die SVGs, die als Symbolgrafiken verwendet werden sollen
  • Die fünf Farben (Herz, Karo, Kreuz, Pik, Joker)
  • Die genauen Positionen der Symbole auf der Karte

Ich konnte sogar Funktionen einbauen, die mir beim Gestalten helfen konnten: Ob der Schnittrand angezeigt werden soll oder nicht, automatische Punktspiegelung der Bildkarten, automatische Ausrichtung aller Zahlenkarten … vielleicht schon zu viel, aber wenn man erstmal anfängt, zu Automatisieren, dann muss man es auch durchziehen.

Das Script brauchte, nachdem ich es ein bisschen optimiert hatte, ungefähr 8 Sekunden, um alle 55 Karten zu generieren. Zum tatsächlichen Designen habe ich meistens nur eine Karte auf einmal generieren lassen, was quasi verzögerungsfreies Arbeiten ermöglicht hat.

(Für automatisches Ausführen, wenn ich Dateien speichere, benutze ich gerne entr, ursprünglich empfohlen von Julia Evans)

Als ich endlich irgendwann 55 fertige PNGs herumliegen hatte, konnte ich die Karten endlich bestellen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon relativ spät dran (es war inzwischen der 10. Dezember), aber entgegen dem, was meine langatmige Beschreibung vermuten lässt, war der zeitaufwändigste Teil nicht die Automatisierung (die dauerte nur etwa einen Tag), sondern das Zeichnen der vielen Karten. (Das dauerte mehrere Wochen, in denen ich jeweils Abends daran gearbeitet habe.)

Gedruckt habe ich sie schließlich bei meinspiel.de, die das wirklich sehr gut gemacht haben. Die Webseite ist etwas anstrengend und ich habe eine Weile gebraucht, um das korrekte PDF zu generieren, das sie sich wünschen, aber mit dem Ergebnis bin ich extrem zufrieden. A propos:

Das Ergebnis

Die Karten kamen rechtzeitig vor Weihnachten an, die Versorgung meiner Freunde mit neckischen Spielkarten war also gesichert.

Gibt es Sachen, die ich ändern würde? Ein paar Kleinigkeiten! In Cambio haben die beiden roten Könige eine besondere Bedeutung, darum war es etwas töricht von mir, Karo dunkelblau zu färben. Überhaupt sind die Farben etwas dunkel geworden (Dunkelblau, Dunkelgrün und Schwarz sehen sich ausgedruckt viel ähnlicher als es auf meinen Bildschirmen der Fall war.)

Insgesamt bin ich extrem froh, es gemacht zu haben, und würde es jederzeit™ wieder tun. Ein schönes Projekt für kalte Winterabende!

Tastaturen sollten immer ein schönes Hobby bleiben

Ich besitze zu viele Tastaturen. Aber macht euch keine Sorgen: Ich bin sicher, dass ich jederzeit aufhören kann, mehr zu kaufen.

Die Tastatur auf dem Foto ist die Neueste in meiner Sammlung, und vielleicht meine Letzte.* Es ist eine Varmilo VA88M CMYK, und sie slappt. Endlich habe ich eine Tastatur, deren unglaublicher Lärm mich mit Freude erfüllt und meine Feinde in Angst und Schrecken versetzt. Außerdem macht es ungeheuren Spaß, auf ihr zu schreiben.

Versteht mich nicht falsch: Ich wollte keine neue Tastatur kaufen. Mir war schon vor Jahren – vor dem Kauf meiner allerersten mechanischen Tastatur (einer Vortex Pok3r, die ich zurückschicken musste, weil sie zu wenige Tasten hatte) – klar, dass Tastaturen ein gefährliches Hobby sind, wenn man noch Geld für Essen übrig haben möchte.

Vor dem letzten Kauf besaß ich bereits zwei alte weiße Magic Keyboards (ohne Ziffernblock), ein neues schwarzes Magic Keyboard (mit Ziffernblock), eine Microsoft Sculpt, eine billige generische Ersatz-Tastatur und eine mechanische Tastatur mit Cherry MX Brown Switches.

Man sollte also meinen, es würde langsam reichen. Ja, das dachte ich auch! Aber ich war unzufrieden: Ich mochte meine andere mechanische Tastatur einfach nie besonders. Ihr Design erweckt zu sehr den Eindruck, ich müsste jetzt sofort Pro Gamer werden und im Licht meiner LED-Neonbeleuchtung ein Monster Energy gurgeln, statt entspannt dazusitzen und ein paar Zeilen JavaScript zu schreiben.

Ich nahm außerdem (deswegen?) an, dass sie einigermaßen günstig gewesen wäre. Ich weiß nicht, warum ich das dachte, denn als ich die Rechnung noch mal raussuchte, merkte ich, dass ich tatsächlich über 130 € für sie ausgegeben habe. Dafür, dass ich sie weder besonders gut, schön oder hochwertig finde, eigentlich etwas schade.

Der Anfang vom Ende dieser letzten Tastatur begann, als ich mir ein DIY Macropad bestellte. (Eigentlich bestellte ich sogar zwei: Nachdem ich es zwei Jahre aufgeschoben hatte, kaufte ich die Raspberry Pi Zero-Variante mit 12 Tasten, woraufhin Pimoroni natürlich sofort die neue, verbesserte Version mit 16 Tasten rausbrachte, die ich dann auch kaufte.)

Diese Macropads kommen jedenfalls mit „Kailh Speed Gold“ Switches, die einen großartigen kleinen „Klick“ von sich geben, wenn man sie drückt. Dieses Klicken war so viel besser als das „taktile“ „Klicken“ der Cherry MX Browns in meiner Hardcore Gamer Tastatur, dass ich wusste, dass ich umsteigen muss.

Richtig in den Strudel gezogen wurde ich erst, als ich auf YouTube nach einer Übersicht guter Einsteigertastaturen gesucht hatte. Um ganz ehrlich zu sein: Das Meiste, was auf Keyboard-YouTube vor sich geht, ist jenseits meines Horizonts. Cherry MX Blues sind angeblich zu laut, alle sprechen die ganze Zeit über zu viel oder zu wenig Lube, es wird wild auf langen Tasten herumgeklopft um angebliches Klappern zu hören … was?

Bevor der Algorithmus™ aber anfangen konnte, mir diese Videos um die Ohren zu hauen, hatte ich bereits ein nettes, informatives Video zur Varmilo VA88M gesehen, das mich dazu gebracht hat, sie bei einem auf Tastaturen spezialisierten Onlinehändler zu kaufen.

Und was soll ich sagen: Ich bin sehr zufrieden. Falls ihr überlegt, eine mechanische Tastatur zu kaufen (und falls ihr EIN EIGENES BÜRO habt!), dann holt euch Clicky Switches. Sie sind so gut.


* Haha, als ob.

Eine echte Kamera

Die Kamera im iPhone ist super. Für eine winzige Kamera mit winzigem Sensor in einem kleinen Glasrechteck, das man ohnehin immer dabei hat, ist sie wunderbar.

Aber: Ich bin trotzdem froh, dass es nicht die einzige Kamera ist, die ich besitze.

In einem Anflug an Wahnsinn habe ich mir die Fujifilm X-T4 gekauft, und sie ist unglaublich gut. Sie sieht gut aus, fühlt sich hochwertig an, und die Fotos, die aus ihr herausfallen, sind toll. Belichtung, Autofokus, Sucher, große Menge an Drehknöpfen, alles top.

Links: Fujifilm X-T4, Rechts: iPhone 13
Links: Fujifilm X-T4, Rechts: iPhone 12
Links: Fujifilm X-T4, Rechts: iPhone 12

Es gibt haufenweise Fotos, die ich mit der Fuji gemacht habe, die nicht so schön wären, hätte ich sie mit dem iPhone gemacht. Der Vergleich ist natürlich extrem unfair, aber wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, habe ich trotzdem das Gefühl, dass wir noch viel weiter davon entfernt sind, dass das iPhone eine „große“ Kamera komplett ersetzen kann, als immer behauptet wird.

Aber der Vergleich ist unfair in beide Richtungen: Das iPhone hat unglaubliche Vorteile dadurch, dass es ein iPhone ist. Es gibt zahllose Situationen, in denen ein Foto kein Kunstwerk sein muss, oder in denen es wichtiger ist, überhaupt ein Foto zu machen, als dass es besonders perfekt ist. Wie immer ist alles ein Trade Off, und gerade das Gleichgewicht aus diesen beiden Extremen ist doch das Maggi in der Suppe des Lebens. Wo war ich?

Ach ja: Selbst, wenn man die optische Qualität außer Acht lässt: Es ist einfach schön, Fotos zu haben, die nicht wie iPhone-Fotos aussehen. Und dafür mache ich mir dann auch gerne etwas mehr Arbeit.

Märkische Schweiz

Neulich dachten Clara und ich, dass es mal wieder Zeit wäre, ein paar Tage außerhalb von Berlin zu verbringen, vielleicht sogar in einer Ferienwohnung. Solange es wirkte, als könnte es cozy sein, war uns alles egal. Unsere Wahl fiel schließlich auf die Kurstadt Buckow, eine brandenburgische Kleinstadt, in der beinahe etwas los ist.

Da wir bereits relativ nah am Rand von Berlin wohnen, war es nur ein Katzensprung bis Buckow. Sehr aufregend: Die Fahrt in einem Bus mit sehr niedrigen Sitzen und hohen Fenstern – man hat sich direkt ein bisschen gefühlt wie auf dem Weg zur Grundschule. In Buckow sahen wir uns erstmal den Garten der Ferienwohnung an, insbesondere den … äh … großen Haufen Stöcker direkt vor einer Sitzbank.

Am zweiten Tag schmierten wir uns einen kleinen Berg Stullen und machten eine ausgiebige Wanderung durch die märkische Schweiz. Clara hatte einen tollen Weg rausgesucht, der uns durch den Wald führte. Wir kamen an Bäumen, Wiesen, Seen, Scluchten und sogar dem berühmten großen Stein vorbei.

Eigentlich wollten wir Abends Bratkartoffeln essen und standen darum um 16:37 Uhr vor dem einzigen[citation needed] Laden der Stadt – der aber leider bereits um 16:30 Uhr zugemacht hatte. (Der andere einzige Laden der Stadt, ein Edeka Nah und Gut, hatte bereits um 12 (!) geschlossen.) Also genossen wir die Bratkartoffeln stattdessen in einem Restaurant, man gönnt sich ja sonst nichts, Urlaub ist nur einmal im Jahr, etc etc.

Immerhin blieb uns so mehr Zeit, uns auf unser Ziel zu konzentrieren: Viel rumzuliegen und in Ruhe zu lesen. Am zweiten Tag kamen wir sogar auf die Idee, den Schlafsofa-Teil des (etwas kleinen) Sofas auszuklappen. Da wir dadurch endlich genug Platz hatten, gemütlich nebeneinanderzuliegen, standen wir erstmal drei Stunden lang nicht wieder auf. Ich las The Diary of a Bookseller, Clara las Rachel’s Holiday, es war wunderbar.

Am nächsten Tag mussten wir schon sehr früh (10 Uhr! Mitten in der Nacht!) auschecken. Wir verabschiedeten uns vom See, setzten uns ins Lokal „Lokal“ und ließen das lange Wochenende bei Kaffee, Rührei, und Orangensaft ausklingen. Ja, sogar Orangensaft! Man gönnt sich ja sonst nichts, etc etc.

Ich war jedenfalls sehr froh, mal den berühmten Alltag™ hinter mir zu lassen und mich auf eine ganz andere Couch zu legen, als ich es sonst zuhause machen kann. Sie war zwar nicht bequemer, aber immerhin war sie anders. Und das ist ja manchmal schon die Hauptsache.

The Humble Zero Width Space

Mein liebstes Satzzeichen ist vermutlich das breitenlose Leerzeichen. Ich mag Dinge, die gleichzeitig sinnvoll, absurd, witzig und etwas obskur sind, und da gehört dieses Leerzeichen definitiv dazu. (Das klingt, als wäre ich eine Figur aus einem Buch von John Green, but stay with me.)

Vielleicht seid ihr überrascht, dass es überhaupt mehr als ein Leerzeichen gibt. Um ehrlich zu sein: Bei meiner „Recherche“ für diesen Artikel war ich selbst überrascht, dass Wikipedia achtzehn verschiedene Leerzeichen in Computersystemen auflistet. Oh je. So weit wollte ich gar nicht gehen!

Das breitenlose Leerzeichen benutze ich eigentlich nur, wenn ich in einem Tweet gerne einen Genitiv benutzen möchte, zum Beispiel „Ich mag @danjel​s leckere Pizza.“ Im Englischen wäre das unproblematisch, aber im Deutschen möchte ich ja nicht „@danjel’s“ schreiben (oder gar „@danjel s“), sondern halt „@danjels“. Damit das „s“ aber nicht zum Nutzernamen gezählt wird, muss man es mit einem, ihr ahnt es, breitenlosen Leerzeichen abtrennen: „@danjel​s“. (Ihr seht es nicht, aber hier ist ein Leerzeichen zwischen l und s!) Das ist der beste Twitterhack, den ich kenne, und bestimmt habe ich ihn von Max Friedrich.

Das breitenlose Leerzeichen eignet sich hervorragend, um Kollegen, Computersysteme und natürlich sich selbst zu verwirren. Zum Beispiel: Schreibt mal einen Artikel über breitenlose Leerzeichen, in dem breitenlose Leerzeichen vorkommen, und überprüft vor dem Veröffentlichen, ob ihr auch keins vergessen habt. Viel Spaß!

Mir geht es aber auch noch um etwas anderes: Manchmal sitze ich da und habe irgendeine diffuse Lust, irgendwas zu programmieren, aber weiß nicht, was. Ich könnte etwas an meinen bestehenden Projekten machen, aber die sind irgendwie so ernst. Manchmal würde ich lieber eine Kleinigkeit machen, die von allem anderen unabhängig ist, aber dafür müsste man erstmal eine Idee haben, und … so sitze ich manchmal stundenlang da und mache nichts.

Aber neulich, als ich mal wieder „Breitenloses Leerzeichen“ in Wikipedia (meiner liebsten Quelle für obskure Satzzeichen) gesucht habe, um es in einem Tweet benutzen zu können, dachte ich: Warum baue ich nicht endlich eine Seite, die genau das macht? Und das habe ich jetzt, und hier ist sie:

Besucht sie und holt euch eure eigenen Leerzeichen: Humble Zero Width Space ↗.

Die Seite besteht nur aus einer einzigen HTML-Datei, in die ich ein bisschen CSS und JavaScript reingeschrieben habe. Von der Idee bis zum Deploy (und damit meine ich, dass ich die Datei per FTP auf meinen Uberspace geschoben habe) dauerte es etwa fünfzehn Minuten. Ich kann nur empfehlen, sowas ab und zu mal zu machen, um sich zu erinnern, wie es sich anfühlt!

Jemand, der Nein sagt

Es ist schön, tolle Kollegen zu haben. Kollegen, mit denen man sich Schritt für Schritt durch gruselige Interfaces klicken kann, um zusammen Lösungen zu finden. Kollegen, mit denen man beim Pair Programming mal in eine Tangente über COBOL abrutscht. Aber manchmal ist es schön, Kollegen zu haben, die auch mal „Nein“ sagen.

Vor ein paar Tagen habe ich meinen Kopf für zwei Stunden gegen ein Problem gehauen, aber das einzige, was nachzugeben drohte, war mein Schädel. Die genauen Details sind nicht besonders interessant (und schwer zu erklären). Es sei nur gesagt, dass ich kurz davor war, extrem viel Aufwand zu betreiben, um einen sehr kleinen Effekt in einer App zu erzielen.

Irgendwann hatte ich schon dutzende Zeilen Code geschrieben und dachte mir: Dieser Code (und die ganze Idee!) ist so unglaublich kompliziert, ich erzähle mal Timo davon. Vielleicht hat er eine bessere Idee, wie ich das umsetzen kann. Vielleicht kennt er einen coolen React Trick, den ich nicht kenne, mit dem es ein Einzeiler wird! Also erzählte ich ihm von meinem Problem. Schon während ich aufschrieb, was ich gerne machen würde, wurde mir klar, dass meine Idee noch komplizierter war, als ich vorher dachte. Timo las meine Nachricht und durchlief die fünf Stadien der Trauer:

  1. Er verstand nicht, was ich will
  2. Nach einer zweiten, ausführlicheren Erklärung verstand er dann doch, was ich will
  3. Er sagte, dass es vermutlich keine gute Idee ist
  4. Er erzählte, dass er mal etwas Ähnliches programmieren musste, aber dass es furchtbar war und er es nicht nochmal machen würde
  5. Er wiederholte, dass es vermutlich keine gute Idee ist

Schlussendlich waren wir uns einig, dass es keine einfache Möglichkeit gibt, meine Idee umzusetzen (wenn überhaupt!), und dass ich es einfach lassen sollte. Das war die (hoffentlich) beste Entscheidung für das Projekt, das Budget und die Codebase, die alle drei von wildgewordenem Drauflosprogrammieren hätten gesprengt werden können.

Sich gegenseitig zu unterstützen, um gute Lösungen zu finden, finde ich gut und es macht mir viel Spaß. Aber mindestens genauso gut finde ich, zusammen auch mal einen Schritt zurückzutreten und zu beschließen, dass etwas eine ganz und gar übertriebene Idee ist. Dabei ist es wichtig, dass alle Beteiligten geerdet genug sind, dass nicht einer sowas sagt wie „Und dann löte ich den Flux Kompensator direkt in den Connection-Pool und dadurch exhumiere ich dann den rückwärtsgepolten Neutronengenerator, und alles nur mit dreiundsiebzig npm Packages“ und der andere nur anerkennend nickt und sowas sagt wie „Oh krass.“

Vielleicht muss man öfter nicht nur „Können wir das bauen?“ fragen, sondern auch „Sollten wir das bauen?“ und „Ist das komplett übertrieben?“ Denn oft – öfter, als man denkt – ist die Antwort, einfach ruhig zu bleiben und nichts zu machen. Auch mal schön!

Wocheneinkauf

Seit ich in Berlin wohne, hatte ich Supermärkte in Laufweite und bin jeden Tag auf dem Weg nach Hause an ihnen vorbeigekommen. Insofern hatte ich nie einen Grund, meine Einkäufe zu planen – ich habe einfach jeden Tag einen kleinen Einkauf gemacht. Als ich dann vor etwas über einem Jahr angefangen habe, von Zuhause zu arbeiten, hat das meine Einkaufsfrequenz sogar noch erhöht. Man muss ja jeden Grund nutzen, mal die Wohnung zu verlassen!

Aufgrund der aktuellen Unpleasentness haben Clara und ich uns aber besonnen, dass es vermutlich sehr dumm wäre, jeden Tag ein- bis zweimal einkaufen zu gehen. Also haben wir das gemacht, was man sich ohnehin schon seit Jahren vornimmt, aber nie macht: Wir haben einen Essensplan für die ganze Woche erstellt. So wird man dann doch noch zu seinen eigenen Eltern.

Einmal die Woche schnappen wir uns jetzt so viele Taschen und Rucksäcke wie möglich, setzen unsere Masken auf, stürmen den gehen zu Edeka und kaufen Lebensmittel für knapp hundert Euro. Besonders beim ersten Mal war das sehr überraschend, aber wenn man es dann auf zwei Leute und eine ganze Woche herunterbricht, sind es nur noch knapp sieben Euro pro Tag pro Person. (Und andere Ausgaben für Essen, zum Beispiel für solche Frivolitäten wie In ein Restaurant gehen, haben wir zur Zeit fast nicht.)

Besonders überrascht haben mich die vielen positiven Nebeneffekte des Essensplans: Zum Frühstück und Mittagessen macht sich jeder selbst, was er/sie will, und zum Abendessen wechseln wir uns mit Kochen ab. Seit Wochen hatten wir keine „Worauf hast du Lust?“ – „Nee, worauf hast du Lust?“ – „Nein, sag, worauf du Lust hast!“ Gespräche mehr – wenn im Plan Nudelsalat steht, dann gibt es halt Nudelsalat!

Wir sind besser darin geworden, vielseitige Gerichte aus unserem Repertoire zu kochen. Seit wir den Plan™ haben, haben wir keine Fertiggerichte mehr gegessen oder uns spontanen Cravings hingegeben. (Natürlich haben wir trotzdem einmal absichtlich und bewusst Nachos mit Käse gemacht, aber immerhin mit selbstgemachter Guacamole und Salsa.)

Natürlich ist nicht alles toll: Obwohl wir uns an allen anderen Tagen keine Gedanken mehr übers Einkaufen machen müssen, wird der Samstag komplett davon dominiert. Erst stellen wir den Essensplan zusammen, dann erstellen wir basierend auf dem Plan eine Einkaufsliste. (Kleiner Tipp: Einkaufslisten unbedingt so sortieren, wie auch die Produkte im Laden sortiert sind. Das ist bestimmt eine dieser Sachen, die schon jeder macht, aber mein Einkaufsleben wurde davon komplett auf den Kopf gestellt!) Anschließend spielen wir eine Stunde Animal Crossing, um uns mental auf den Einkauf vorzubereiten, drucksen noch eine Weile herum, und wenn uns gar nichts mehr einfällt, gehen wir endlich los. Wieder zuhause muss dann noch alles verstaut werden, und schon ist es halb sechs Abends. (So war es heute! Aber wir haben auch sehr lange geschlafen.)

Abschließend: Eigentlich war der Essensplan aus der Not geboren, dass wir uns so selten wie möglich unter Leute begeben wollten. Aber die Vorteile haben mich komplett überrascht und überzeugt. Ich hoffe, dass wir den Plan (zumindest teilweise) beibehalten können, auch wenn man irgendwann wieder guten Gewissens täglich einkaufen gehen kann.

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