Für die letzten paar Monate hatte ich mir von meinem Arbeitskollegen Max eine alte Analogkamera ausgeliehen, und zwar eine Yashica Electro 35. Das „Electro“ steht dafür, dass man lieber mit einer Gabel eine Steckdose erkunden würde als 36 Fotos mit dieser Kamera zu machen. (Kleiner Scherz!)

Die Benutzung der Kamera ist ganz einfach™: Man macht ein Foto, dann zieht man mit dem Daumen an einem soliden Hebel, um den Film zum nächsten Foto zu spulen.

Es war dennoch ein stetiger Kampf, den Film zu füllen. Wenn ich irgendwo hingehe, würde ich eigentlich immer lieber meine (digitale) Fujifilm X-T4 mitnehmen, um mehr Optionen zu haben. (Zum Beispiel die Option, meine Fotos zu sehen, oder für 0€ das gleiche Foto mehrfach zu probieren.)

Aber ich hatte die Electro ja nur zur Leihgabe und wollte Max’ Geduld nicht überstrapazieren, also zwang ich mich, immer mal wieder mit ihr das Haus zu verlassen und sie zu benutzen. Vor ein paar Tagen war es endlich so weit: Das Zählrad war bei 36 angekommen, ich machte noch ein letztes Foto als Zugabe und klappte dann die kleine Handkurbel aus, um den Film zurückzuspulen.

Hm! Geht erstaunlich leicht! Hmmmmm! Vielleicht sogar so leicht, dass man das Gefühl haben könnte, dass überhaupt nichts passiert. Vielleicht mache ich irgendwas falsch? Ich googelte nach der Bedienungsanleitung, die hilfreich sagte: „Einfach zurückspulen!“ Also googelte ich danach, dass sich Zurückspulen komisch anfühlt und fand mehrere Leute, die das gleiche Problem hatten, und bei denen die Antwort war, dass sie mit dem soliden Hebel den Film aus der Patrone gerissen haben, als sie über das 36te Foto hinausgeschossen (haha!) sind.

Cool! So eine Kacke!

Aber immerhin habe ich das Glück, in Berlin zu wohnen und lief also einfach zu einem Fotoladen, der noch selbst entwickelt, und fragte, ob sie den Film in ihrer Dunkelkammer aus der Kamera retten können. Der supernette Dude hinterm Tresen ging auch sofort los, kam nach zwei Minuten wieder und sagte „Plot Twist: Der Film ist komplett in der Patrone!“

Wir haben uns kurz beraten und die von mir akzeptierte Theorie ist, dass ich den Film nicht korrekt eingelegt habe, 36 Belichtungen auf die gleiche Stelle Film gemacht habe, dann die ~5cm zurückgespult habe und in seinen Laden gekommen bin. Die ganzen Monate Arbeit (naja, „Arbeit“) waren also umsonst!

Cool!!! So eine Kacke!!!

Am nächsten Tag habe ich Max die Kamera zurückgebracht und er hat mir gesagt, dass er mir leider nicht erklärt hatte, dass man den Film etwas besonders einlegen muss. Bei meiner analogen Canon T-70 muss man den Film nur ungefähr auf das richtige Zahnrad legen und die Kamera erledigt den Rest, aber bei der Electro muss man die Kamera andersrum um den ganzen Mechanismus wickeln, weil sie andersrum spult. Hinterher ist man offenbar immer schlauer!

Immerhin hat Max jetzt seine Kamera wieder und ich nicht mehr den Druck, sie zu verwenden. Im Gegenteil, seitdem macht auch die X-T4 wieder mehr Spaß. Gestern habe ich ein altes Canon 50mm f1,8 Objektiv draufgeschraubt, das ich von meinen Großeltern geschenkt bekommen habe, habe die funky Filmsimulation „Pacific Blues“ von Fiji X Weekly eingestellt und bin in den Park gegangen.

Mit dem Objektiv muss man trotzdem von Hand fokussieren und gemeinsam mit der Kamera überlegen, welche Blende wohl angebracht ist. (Das ist natürlich Quatsch, in 95% aller Fälle richte ich mich nach dem bekannten Merksatz „Mit Blende 1,8 / hat noch niemand was falsch gemacht.“) Dadurch kann zumindest ich persönlich einen Großteil des Analog-Gefühls für mich simulieren.

Das alte Objektiv bringt eine schöne verträumte Unschärfe, die Filmsimulation gibt angenehme dunkle Grüntöne, sogar eine Biene ließ sich auf eine Begegnung ein, mehr kann ich mir von einem Nachmittagsspaziergang eigentlich nicht erhoffen. Es ist natürlich komplett seelenlos und geradezu verwerflich, aber vielleicht benutze ich dieses fake-analoge Setup jetzt öfter, ich finde die Ergebnisse wirklich nicht schlecht.