Cambio
Letztes Jahr hat mir Clara ein neues Kartenspiel beigebracht, das sie wiederum von Eva gelernt hatte, die es wiederum von Lea gelernt hatte: Cambio. ich hatte vorher noch nie davon gehört, aber es macht sehr viel Spaß und wir haben es seitdem schon viele Male gespielt.
Für das Spiel braucht man ein gewöhnliches Poker-Set. Bis die Regeln nach viel stiller Post bei uns angekommen waren, hatten sich bereits ein paar Hausregeln eingeschlichen, aber wir spielen ungefähr nach diesen Regeln.
Als sich im September andeutete, dass demnächst wieder Weihnachten vor der Tür stehen würde, kam mir die Idee: Was, wenn ich ein eigenes Kartenspiel gestalte, das ich dann in meinem cambiospielenden Freundeskreis verschenken kann? Wie schwer kann das schon sein?
Ein Kartenspiel zu gestalten ist ziemlich schwer
Das erste Problem war, die notwendigen Figuren zu zeichnen. Ein Pokerspiel enthält 15 Bildkarten: jeweils vier Buben, Damen und Könige, plus drei Joker. Ich habe die Figuren alle am iPad gezeichnet, in Procreate, und das dauerte ewig.
Procreate hat eine Funktion für Punktspiegelung – eigentlich nice, denn klassischerweise sind viele Pokerkarten ja punktgespiegelt. Leider ist die Funktion überhaupt nicht flexibel und ich konnte sie dadurch nicht so gut gebrauchen wie ursprünglich gehofft. Aber besser als nichts!
Ansonsten hatte ich noch einige Probleme damit, meine Freunde ausreichend naturgetreu abzubilden, aber da kann ich nun wirklich niemandem etwas vorwerfen außer mir selbst.
Das nächste Problem war das Layout.
Ich probierte, eine Karte in Pixelmator Pro zu designen, und obwohl das grundsätzlich funktionierte, hat es mich direkt von der Vorstellung abgebracht, dass das eine gute Idee sein könnte. Es dauerte ewig, alles richtig zu positionieren. Für die erste Karte, eine Karo 10, brauchte ich ungefähr eine Stunde.
Ja, hier sind noch ein paar zusätzliche Ebenen aktiviert, aber ihr versteht schon.
Aber noch schlimmer: Ich würde innerhalb des Prozesses natürlich gerne ein paar unterschiedliche Varianten ausprobieren: Verschiedene Varianten der Symbolgrafiken, unterschiedliche Positionierungen und Größen der Symbole, unterschiedliche Schriftarten, unterschiedliche Farben … die Vorstellung, jedes Mal einen großen Haufen Pixelmator-Ebenen manuell aktualisieren zu müssen, wenn ich meine Meinung ändere, ließ mir direkt Angst- und Anstrengungsschweiß ausbrechen.
Wie so oft fiel mir dann ein, dass ich zum Glück Programmierer bin, und ich schrieb ein Script, das mir die Karten generieren kann. Innerhalb des Scripts kann ich verschiedene Parameter setzen:
- Die SVGs, die als Symbolgrafiken verwendet werden sollen
- Die fünf Farben (Herz, Karo, Kreuz, Pik, Joker)
- Die genauen Positionen der Symbole auf der Karte
Ich konnte sogar Funktionen einbauen, die mir beim Gestalten helfen konnten: Ob der Schnittrand angezeigt werden soll oder nicht, automatische Punktspiegelung der Bildkarten, automatische Ausrichtung aller Zahlenkarten … vielleicht schon zu viel, aber wenn man erstmal anfängt, zu Automatisieren, dann muss man es auch durchziehen.
Das Script brauchte, nachdem ich es ein bisschen optimiert hatte, ungefähr 8 Sekunden, um alle 55 Karten zu generieren. Zum tatsächlichen Designen habe ich meistens nur eine Karte auf einmal generieren lassen, was quasi verzögerungsfreies Arbeiten ermöglicht hat.
(Für automatisches Ausführen, wenn ich Dateien speichere, benutze ich gerne entr
, ursprünglich empfohlen von Julia Evans)
Als ich endlich irgendwann 55 fertige PNGs herumliegen hatte, konnte ich die Karten endlich bestellen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon relativ spät dran (es war inzwischen der 10. Dezember), aber entgegen dem, was meine langatmige Beschreibung vermuten lässt, war der zeitaufwändigste Teil nicht die Automatisierung (die dauerte nur etwa einen Tag), sondern das Zeichnen der vielen Karten. (Das dauerte mehrere Wochen, in denen ich jeweils Abends daran gearbeitet habe.)
Gedruckt habe ich sie schließlich bei meinspiel.de, die das wirklich sehr gut gemacht haben. Die Webseite ist etwas anstrengend und ich habe eine Weile gebraucht, um das korrekte PDF zu generieren, das sie sich wünschen, aber mit dem Ergebnis bin ich extrem zufrieden. A propos:
Das Ergebnis
Die Karten kamen rechtzeitig vor Weihnachten an, die Versorgung meiner Freunde mit neckischen Spielkarten war also gesichert.
Gibt es Sachen, die ich ändern würde? Ein paar Kleinigkeiten! In Cambio haben die beiden roten Könige eine besondere Bedeutung, darum war es etwas töricht von mir, Karo dunkelblau zu färben. Überhaupt sind die Farben etwas dunkel geworden (Dunkelblau, Dunkelgrün und Schwarz sehen sich ausgedruckt viel ähnlicher als es auf meinen Bildschirmen der Fall war.)
Insgesamt bin ich extrem froh, es gemacht zu haben, und würde es jederzeit™ wieder tun. Ein schönes Projekt für kalte Winterabende!