Kindle Voyage, sechs Jahre später
2014 hat Amazon einen E-Reader rausgebracht, der ganz gut war: Den Kindle Voyage. Zumindest war man sich einig, dass er immerhin etwas besser war als der Kindle Paperwhite – aber nicht so viel besser, dass man ihn unbedingt kaufen müsste, wenn man schon einen Paperwhite besaß. Logischerweise kaufte ich ihn trotzdem. (Übrigens war sich auch Amazon einig, dass er keine Lücke in ihrem Lineup füllt und hat ihn nie aktualisiert und schließlich discontinued.)
Das ist inzwischen Jahre her. Früher las ich viel auf dem Kindle, aber inzwischen nur noch jedes halbe Jahr mal ein Buch, wenn ich es nirgendwo anders finde.
Es folgt eine nicht vollständige Liste von Dingen, die mich genervt haben, während ich kürzlich auf meinem Kindle Don’t Panic las. Sie beinhaltet absichtlich nicht die ausgenudelten, offensichtlichen Argumente, dass echte Bücher schöner sind oder gut riechen. Sie beinhaltet außerdem, wie ich überrascht feststellen musste, keine Beschwerden über die Hardware des Voyage. Die Hardware ist komplett akzeptabel. Sie ist nicht umwerfend, aber sie tut ihren Job – und 99% von Erfolg ist ja bekanntlich, überhaupt anwesend zu sein.
Meine Frustration beginnt in dem Moment, in dem ich den Voyage anschalte, denn dann wird man mit der Software konfrontiert.
Die Softwarequalität des Kindle ist erschreckend. Nichts funktioniert verlässlich. Das gesamte Betriebssystem wirkt, als hätten es Leuten entwickelt, die noch nie ein Buch gelesen haben und nur aus Erzählungen erfahren haben, wie Lesen funktioniert. Als wären es Leute, die zum Testen zwei Absätze Lorem Ipsum benutzen und dann zufrieden auf einen großen „Alles klar, Betriebssystem veröffentlichen!“-Button drücken.
Alle paar Monate sieht die Benutzeroberfläche anders aus, aber ich verstehe nicht genau, warum. Sie wurde bislang nie verbessert, sondern lediglich verändert. Elemente wandern durch die Gegend, Menüs werden neu gemischt, Icons bekommen dünnere Linien, aber nie hatte ich das Gefühl, dass die Software auf dem Kindle jetzt endlich weniger schlimm wäre als zuvor.
Das frustrierendste Element des ganzen Geräts ist der Touchscreen. Ich kann kaum glauben, wie miserabel dieser Touchscreen ist. Er reagiert manchmal. Es ist 2020, und der Touchscreen reagiert manchmal! Aber ich bin sicher, dass daran nur die Software schuld ist.
Immer passiert es, dass ich beim Lesen den Touchscreen berühre, um irgendwas zu machen (ein Menü öffnen, einen Satz markieren, zurückblättern), der Kindle aber die genaue Stelle meiner Berührung ignoriert und einfach eine Seite nach vorne blättert.
Die Idee ist bestimmt, dass Lesende, wenn sie erstmal im Lesefluss sind, meistens weiterblättern möchten, darum ergibt es natürlich Sinn, einfach immer weiterzublättern. Soweit ich das einschätzen kann, gibt es keine Stelle auf dem Touchscreen, an der dieses Verhalten nicht ausgelöst wird. Stattdessen muss ich wieder eine Seite zurückblättern, und erst dann lässt der Kindle mich das machen, was ich eigentlich machen wollte.
Nebenbei sei erwähnt: Der Kindle Voyage hat links und rechts neben dem Bildschirm Tasten, mit denen man vor- und zurückblättern kann. Diese Tasten funktionieren immer. Wenn es diese Tasten also gibt, und sie offenbar funktionieren, warum muss ich dann trotzdem jedes Mal diesen absurden Tanz mit dem Touchscreen aufführen?
Ein anderes gutgemeintes Feature, das nicht richtig funktioniert, ist die Anzeige der verbleibenden Zeit im Buch. An sich halte ich dieses Feature für eine gute Idee! Leider hat es, seit ich Kindles benutze, noch nie richtig funktioniert. Bei jedem neuen Buch zeigt es anfangs eine glaubwürdige Zeit, aber nach einer Weile lesen wird nur noch eine viel zu kurze, komplett unrealistische Zeit angezeigt. Das ist so nervig! Warum passiert das? Ich wünschte, man könnte sich einfach verbleibende Seiten anzeigen lassen.
Ein letztes Beispiel, wie inkonsistent und unverständlich die Software ist: Das Buch „Don‘t Panic“ enthält viele Fußnoten, im Text verlinkt durch ein einzelnes „*“. Wenn man diese winzigen Links tatsächlich mal trifft (und nicht versehentlich umblättert), dann kann eine von drei Sachen passieren:
- Die Fußnote geht als kleines Modal auf (Gut! Das hier ist meine liebstes Ergebnis! Warum passiert das hier nicht immer?)
- Die Fußnote geht als bildschirmfüllendes Modal auf, verdeckt die gesamte Seite und muss über ein kleines X in der Ecke, das erst beim dritten Versuch reagiert, geschlossen werden (Mittel!)
- Man wird zu der Seite gebracht, auf der sich die Fußnote befindet (Sehr schlecht!)
Wenn Letzteres passiert, möchte man natürlich zu der Stelle zurückkehren, von der man kam, und drückt hoffnungsvoll den Zurück-Button in der Menüleiste. Aber auch hier wird man zwar manchmal zur richtigen Stelle zurückgebracht, aber eben auch manchmal nicht. Und ich verstehe nicht, wann es funktioniert und wann nicht.
Abschließend kann ich sagen: eBook-Reader haben viele Vorteile (sehr leicht, man kann viele Bücher gleichzeitig dabeihaben, man wird nicht von dem tollen Buchgeruch vom Lesen abgelenkt), und solange man einfach nur eine Seite nach der anderen liest, klappt alles einigermaßen gut. Sobald man diesen Weg verlässt, fällt alles auseinander. Vielleicht ändert sich das ja irgendwann, aber solange bin ich froh, dass noch ein Stapel gedruckte Bücher in meinem Regal liegt, den ich noch vor mir habe.